In Luxemburg ist es möglich, dass ein Gläubiger die Bankkonten seines Schuldners, die sich bei einer luxemburgischen Bank befinden, pfänden lässt. Die Maßnahme ist zunächst eine Sicherungsmaßnahme. Der Bank wird ein Pfändungsbeschluss zugestellt, mit dem das betreffende Konto gesperrt wird. Der Gläubiger muss diese Pfändung anschließend bestätigen lassen, um sich gegebenenfalls die auf dem gepfändeten Konto verfügbaren Beträge in Höhe seiner Forderung anrechnen zu lassen.
Die Pfändung kann auf der Grundlage eines öffentlichen oder privaten Titels erfolgen (Artikel 693 der neuen Zivilprozessordnung). Wenn der Gläubiger keinen Titel hat, kann er beantragen, dass ihm der Richter am Wohnsitz des Beklagten oder der Richter am Wohnsitz der drittpfändenden Bank die Pfändung gestattet (Artikel 694 der neuen Zivilprozessordnung).
Im zweiten Fall, in dem der Gläubiger eine richterliche Genehmigung zur Pfändung beantragt, wird das Verfahren zunächst durch einen einseitigen Antrag eingeleitet, der bei dem Richter eingereicht wird, der dann einen Beschluss erlässt. Dieser Beschluss ermöglicht es dem Gläubiger, die Pfändungsurkunde bei der Bank zustellen zu lassen. Damit der Richter einen solchen Beschluss erlassen kann, muss der Gläubiger jedoch eine Forderung gegen den Schuldner geltend machen können, die grundsätzlich sicher sein muss (siehe u. a. Cour de Cassation 16. Juni 2022 Nr. CAS-2021-00099).
Da die Sicherungsphase einseitig und ohne kontradiktorische Verhandlung ist (also nur der Antragsteller angehört wird), hatte sich die Frage gestellt, ob der Gläubiger eine Verpflichtung hat, den Fall mit einer gewissen Transparenz darzulegen, indem er ihn mit all seinen Facetten präsentiert, auch wenn eine solche umfassende Darstellung den Antrag des Gläubigers gefährden könnte.
Genauer gesagt hatte die Rechtsprechung eine Loyalitätspflicht des Pfändungsgläubigers herausgearbeitet, die in jedem Verfahren Anwendung finden muss, in dem der Richter einseitig ohne kontradiktorische Debatte entscheiden muss (Cour d’appel référé 20. Dezember 2017 Nr. 44896 im Rahmen einer Pfändung mit Umschreibung (Saisie-description), Tribunal d’Arrondissement de Luxembourg 3ème chambre 3 juillet 2020 n°TAL-2020-02240 im Rahmen eines einseitigen Antrags auf Erhalt einer bedingten Zahlungsanordnung, Tribunal d’Arrondissement de Luxembourg, référé 13 janvier 2015 en matière de saisie-arrêt sur compte bancaire).
Aufgrund dieser Loyalitätspflicht war die Rechtsprechung der Ansicht, dass es nicht Sache des Antragstellers war, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob es aus faktischer oder rechtlicher Sicht nützlich oder notwendig ist, dem Richter dieses oder jenes Schriftstück vorzulegen, um die Einhaltung der ihm auferlegten Verpflichtungen geltend zu machen. Der Kläger war verpflichtet, alle Informationen vorzulegen, die das Vorhandensein einer Anfechtung oder einer Debatte aufzeigen.
Es war also entschieden worden, dass allein das Versäumnis, den Richter über die gesamte rechtliche und faktische Situation des Falles zu informieren, das Verfahren und damit die Möglichkeit des Richters, den Beschluss, der als Grundlage für die Pfändung diente, aufzuheben und zu widerrufen (und damit die Sperrung des Bankkontos aufzuheben), fehlerhaft machen konnte.
Es scheint jedoch, dass die Rechtsprechung diese Position zurückgenommen hat.
In einem Urteil des Berufungsgerichtes (Cour d’appel référé) vom 9. Februar 2022 (CAL-2021-01095) entschied das Gericht, dass gemäß Artikel 1253 des luxemburgischen ZPOs (Nouveau Code de Procédure Civile) keine Urkunde oder Verfahrenshandlung für nichtig erklärt werden kann, wenn die Nichtigkeit nicht formell gesetzlich vorgesehen ist. Da jedoch keine gesetzliche Bestimmung vorsieht, dass der Antrag eines Gläubigers, der dem Richter für einstweilige Verfügungen ohne Beifügung der entsprechenden Dokumente einen Antrag bezüglich einer Forderung vorlegt, die bereits vor Einreichung des Antrags bestritten wurde, die Nichtigkeit des Antrags oder des auf der Grundlage dieses Antrags ergangenen bedingten Zahlungsbefehls zur Folge hat, noch die Unzulässigkeit oder Ablehnung des Verfahrens, weil es ungerechtfertigt eingeleitet wurde, nach sich ziehen würde.
Ein Beschluss des Bezirksgerichts Luxemburg, Reféré vom 22. Juli 2022 (Nr. TAL-2022-04548) bekräftigt diese Position, indem der Richter feststellt hat, dass verfahrensrechtliche Deloyalität höchstens zu Schadensersatz wegen missbräuchlicher und schikanöser Verfahren führen kann, wenn das unfaire Verhalten der angerufenen Partei einen Schaden zufügt.
Anmerkung: Der Autor dieses Artikels vertrat eine der Parteien in dem Fall, der zu dem Beschluss des Bezirksgerichts Luxemburg, Reféré vom 22. Juli 2022 (Nr. TAL-2022-04548) führte.